17. November 2010

P | Psychopathologie: Flashback durch Cannabis

Vor Kurzem führte ich ein Gespräch mit einem der großartigsten Schlagzeuger, die unser Alpenland zu bieten hat. Aus unerklärlichen Gründen schaffen wir es nicht ein "normales" (doch was ist schon normal), ernsthaftes Gespräch zu führen, ab dem zweiten Satz breche zumindest ich meist in Gelächter aus, wir sulen uns in den Zweideutigkeiten, die die deutsche Sprache zu bieten hat und lassen unsere kreativen Gedanken einfach von der Leine. Ein Phänomen, das wir bei unserer letzten Unterhaltung diskutiert haben. Denn auf andere könnte es durchaus wirken als wären wir high. Was definitiv nicht der Fall ist. Dann kam die Sprache auf ein Phänomen, das Dr. Knienider im letzten Modul des Propädeutikums erwähnt hat: das Flashback. Innerhalb kürzester Zeit stand es Aussage gegen Aussage: Ein Flashback aufgrund von Cannabis-Konsums könne nicht sein meinte der Musiker, könne es sehr wohl meinte ich. Zu 100% sicher war ich mir jedoch nicht und somit hier die Rechercheergebnisse:

 (see: www.flashback.net)

Was ist ein Flashback?

Unter einem Flashback wird ein Wiedererleben früherer Gefühlszustände verstanden. Es kann durch Schlüsselreize hervorgerufen werden und es gilt als Symptom posttraumatischer Belastungsstörungen. In der Psychotraumatologie werden Flashbacks auch Intrusionen genannt.
Der Begriff wird auch benutzt, um das Wiederkehren eines Rauscherlebnisses zu beschreiben, das durch Drogen erzeugt wurde, jedoch ohne erneute Drogeneinnahme erfolgt. Flashbacks drängen sich dem Betroffenen auf, der sich nicht gegen die begleitenden Erinnerungen oder Gefühlszustände erwehren kann.


Cannabis und was es tut

Cannabis ist eine Pflanze mit psychoaktiven Effekten. Der aktivierende Bestandteil ist THC (Tetrahydrocannabiol), das in Haschisch (das verfestigte Harz der Pflanze) und Marihuana (die getrockneten Blätter und Blüten der Pflanze) vorkommt. Der Effekt ist weitgehend bekannt: kleine Dosen führen zu milden, angenehmen Hochgefühlen, große Dosen zu lang anhaltenden halluzinogenen Reaktionen, abhängig vom Kontext können auch negative Effekte wie Angst, Furcht oder Verwirrung auftreten. Cannabinoide (die aktiven Chemikalien in Marihuana) binden an spezifische Rezeptoren im Gehirn, meist im Hippocampus an und funktionieren als Neuromodulatoren. (Das heißt im Wesentlichen nur, dass diese Substanzen die Arbeitsweise des Nervensystems beeinflussen). Man befindet sich durch die Einnahme von Cannabis also in einem Rausch.

In den ICD10 fällt der Rauschzustand durch die Einnahme von Drogen in die F10 - 19: Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen und ist folgendermaßen definiert: „Ein Zustandsbild nach Aufnahme einer psychotropen Substanz mit Störungen von Bewusstseinslage, kognitiven Fähigkeiten, Wahrnehmung, Affekt und Verhalten oder anderer psychophysiologischer Funktionen und Reaktionen. Die Störungen stehen in einem direkten Zusammenhang mit den akuten pharmakologischen Wirkungen der Substanz und nehmen bis zur vollständigen Wiederherstellung mit der Zeit ab, ausgenommen in den Fällen, bei denen Gewebeschäden oder andere Komplikationen aufgetreten sind. Komplikationen können ein Trauma, Aspiration von Erbrochenem, Delir, Koma, Krampfanfälle und andere medizinische Folgen sein. Die Art dieser Komplikationen hängt von den pharmakologischen Eigenschaften der Substanz und der Aufnahmeart ab.“

In dieser Beschreibung bleibt also noch alles offen. Denn "andere Komplikationen" können vielerlei Art sein. Es passt zu dem Umstand, dass Flashbacks im Sinne eines Echorauschs den Ruf "noch nicht ausreichend erforscht" haben. Wichtig finde ich ebenfalls, was Pschyrembel dazu sagt. Unter "Rauschmittel" findet man folgenden Satz: "nach § 323a StGB macht sich strafbar, wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch Rauschmittel in eien Rausch versetzt, und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht, derentwegen er nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war [...]" Denn bei einem Flashback fällt der Vorsatz ja weg. Diesen Umstand stelle ich mir für die Rechtssprechung schwierig vor. Aber das ist eine andere Geschichte. Für alle Interessierten hier jedoch der Link zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts über Flashback und Fahrtüchtigkeit.


Kann Cannabis ein Flashback verursachen?

Ja, das ist nun natürlich die spannende Frage. Das Psychologie-Lexikon sagt unter dem Themenpunkt "Flashback" eindeutig ja: "[...] 2) physiologisch bedingter rauschähnlicher Zustand, der nach Einnahme von LSD oder Cannabis erst mehrere Tage danach auftritt, und so stark werden kann, daß ärztlich Hilfe in Anspruch genommen werden muß. [...]"

Die Seite cannabislegal.de beschreibt, dass THC nach dem Konsum in der Leber vollständig abgebaut wird und lediglich teilweise in Fettgewebe abgelagert wird. Allerdings gibt es grundlegende Unterschiede in der Einnahme. Beim Rauchen von Cannabis wird das THC in den Blutkreislauf aufgenommen und ungefähr 20% davon wandern direkt in das Gehirn, wo das THC an Rezeptoren im Hippocampus bindet. Der Rest wird sofort von der Leber abgebaut. Bei der oralen Einnahme ist das anders. Denn bevor das Gehirn Stoffe zugeliefert bekommt, die über den Magen verarbeitet wurden, muss alles erst einmal durch die Leber. Das bedeutet, dass eine deutliche "Überdosis" nötig ist, um den gewünschten Effekt zu erzielen - die Leber ist in diesem Fall überfordert und lässt einige der Stoffe einfach weiterlaufen, um sie beim nächsten Mal zu verarbeiten. Man könnte es auch so sagen: Die Leber spielt "Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann" und hofft die Flinksten beim nächsten Mal zu erwischen. Das ist übrigens bei jeder Aspirin-Tablette, die wir einnehmen, ebenso. Weitaus gefährlicher als Cannabis zu rauchen ist es in jedem Fall, es zu essen.

Was jedoch sofort berichtigt werden muss: Ein Flashback entsteht nicht durch Stoffe, die eingelagert und noch nicht abgebaut wurden. Auch Traumata (z.B. Kriesgstrauma) werden teilweise durch Flashbacks verarbeitet - und diese sind an überhaupt keinen Botenstoff gebunden. Es ist das Gefühl bzw. der Zustand, der gespeichert ist und durch einen bestimmten Reiz plötzlich wieder hochkommt. Warum dies so ist, ist unklar und nicht vorhersehbar. Womöglich hat der Cannabiskonsum bei der Person eine u.U. so schlimme Erfahrung ausgelöst, dass daraus ein Trauma entstanden ist. Cannabislegal.de geht hierbei schlicht von anderen (meiner Meinung nach falschen) Annahmen aus.

Nun ja. Auf www.cannabis.at fand ich folgendes Umfrageergebnis (Stand 17.11.2011, 21:55 Uhr)


Immerhin 22 von 93 Personen sind sich darin sicher schon einmal ein Flashback gehabt zu haben. Tja, das entspricht zwar nicht der Norm, denn Flashbacks aufgrund von Cannabis-Konsum sollen angeblich eher selten sein, aber vielleicht stimmt es ja doch bei der ein oder anderen Person. Immerhin hätte es ja auch noch die Option "Hmm...weis nicht genau obs Einbildung war " gegeben.

Zu guter Letzt noch ein Link zu dem Benutzer gag auf cannabis-med.org, der seine Echorausch-Erlebnisse aufgrund von Cannabis beschreibt. Mit zahlreichen Antwort-Posts, die ihm per Ferndiagnose Psychosen unterstellen. Es bleibt somit jedem noch selbst überlassen, was er/sie glaubt. Ich persönlich glaube daran, dass Flashbacks durch Cannabis möglich sind.

Allerdings finde ich die Ausdrucksweise der Nutzer sehr - wie soll ich sagen - signifkant!? Deshalb denke ich nun auch nicht mehr, dass jemand, der ein Gespräch zwischen dem genannten Drummer und mir belauscht tatsächlich denken könnte, wir wären auf Drogen. Wir sind einfach wirklich so.


Woher ich das weiß?

http://de.wikipedia.org/wiki/Flashback_%28Psychopathologie%29, 17.11.2010, 20:30
http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/htmlgm2010/block-f10-f19.htm, 17.11.2010, 21:00
http://de.wikipedia.org/wiki/Neuromodulator, 17.11.2010, 21:24
R. Gerrig und P. Zimbardo (2008) Psychologie, S. 185 f
Pschyrembel (2010) Klinisches Wörterbuch, 262. Auflage, S. 1752
http://www.psychology48.com/deu/d/flashback/flashback.htm, 17.11.2010, 21:38
http://www.cannabislegal.de/cannabisinfo/flashback.htm, 17.11.2010, 21:50
http://www.cannabis.at/forum/erfahrungen/6754-hattet-ihr-schon-nen-flashback-von-gras-hasch.html, 17.11.2010, 22:00
http://cannabis-med.org/german/forum/showthread.php?196-Flashback-%28Echorausch%29, 17.11.2010, 22:06

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