8. November 2010

P | Kommunikation: Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun

Vielen ist es bekannt, doch meiner Meinung nach ist es oft genauso schwer die verschiedenen Ebenen auseinanderzudividieren wie eine SWOT-Analyse im Marketing wirklich gut zu machen. Diese vier Ebenen der Kommunikation sind nicht nur im Privaten äußerst hilfreich, sondern auch im Beruflichen. Für TherapeutInnen sollte es ein Leichtes sein von Ebene zu Ebene zu hüpfen, denn es verbergen sich allzu interessante Informationen und Hypothesen hinter manchen Aussagen! Damit es uns auch wirklich in Erinnerung bleibt hier das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun gekoppelt mit einer kleinen Geschichte:


Vor Kurzem ereignete sich folgende Geschichte in meinem Umfeld, die sich so fein für das Kommunikationsquadrat eignet: Bei einem großen Fest zur Eröffnung der Weihnachtssaison arbeitete die Mannschaft eines Geschäftes für Geschenksartikel eifrigst, Kunde um Kunde wurde bedient, Kekse und Punsch serviert, Verkauftes wurde durch neue Waren am nunmehr leeren Platz ersetzt. Wie so oft in stressigen Zeiten sprechen wir in solchen Situationen gerne ungefiltert aus, was uns durch den Kopf geht. Und somit ergab sich folgendes Gespräch:

Frau Sigi: "Meine Güte Sandra, wie schaffst du es bloß diesen Tag in solch hochhackigen, roten Schuhen zu überstehen?"
Frau Sandra zuckt mit den Schultern, lächelt und meint: "Naja, es geht schon!"
Frau Gerlinde daraufhin: "Na meine Güte, jetzt ist sie ein Mal schön angezogen! Lasst sie doch einfach!"
Frau Sandra daraufhin irritiert: "Na jetzt wissen wir es! Ein Mal sagt sie!"


Was die beiden Damen bei dem Satz  "Na meine Güte, jetzt ist sie ein Mal schön angezogen!" gemeint bzw. verstanden haben, war Folgendes:

Sachinformation: Worüber ich informiere
Frau Gerlinde: Sandra ist heute schön angezogen.
Was Frau Sandra glaubt, dass Frau Gerlinde meint: Sandra ist heute schön angezogen.

Selbstkundgabe: Was ich von mir zu erkennen gebe
Frau Gerlinde: Ich finde an solch einem besonderen Tag darf man auch festlich gekleidet sein.
Was Frau Sandra glaubt, dass Frau Gerlinde meint: Ich halte nicht viel davon, wie Sandra sich sonst kleidet.

Beziehungshinweis: Was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe
Frau Gerlinde: Ich möchte dich vor den anderen beschützen.
Was Frau Sandra glaubt, dass Frau Gerlinde meint: Meine Meinung zählt mehr als deine.

Appell: Was ich bei dir erreichen möchte
Frau Gerlinde: Lasst Sandra doch in Ruhe!
Was Frau Sandra glaubt, dass Frau Gerlinde meint: Lasst Sandra doch in Ruhe!

Da dies zugegebenermaßen ein etwas schwieriges Beispiel ist, hier auch noch der Klassiker:

"Die Ampel ist grün!"

Sachinformation: Die Ampel ist grün.
Selbstkundgabe: Ich habe Angst.
Beziehungshinweis: Ich finde, du bist kein guter Autofahrer.
Appell: Fahr los!

Auf der Sachebene des Gesprächs steht die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Dabei gilt zum einen das Wahrheitskriterium wahr oder unwahr (zutreffend/nicht zutreffend), zum anderen das Kriterium der Relevanz (sind die aufgeführten Sachverhalte für das anstehende Thema von Belang/nicht von Belang?) und zum Dritten erscheint das Kriterium der Hinlänglichkeit (sind die angeführten Sachhinweise für das Thema ausreichend, oder muss vieles andere auch bedacht sein?)
Für den Sender gilt es also den Sachverhalt klar und verständlich zu vermitteln. Der Empfänger, der das Sachohr aufgesperrt hat, hört auf: die Daten, Fakten und Sachverhalte und hat entsprechend der drei genannten Kriterien viele Möglichkeiten einzuhaken.

Selbstkundgabe: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält auch, ob ich will oder nicht, eine Selbstkundgabe, einen Hinweis darauf, was in mir vorgeht, wie mir ums Herz ist, wofür ich stehe und wie ich meine Rolle auffasse. Dies kann explizit ("Ich-Botschaft") oder implizit geschehen. Dieser Umstand macht jede Nachricht zu einer kleinen Kostprobe der Persönlichkeit, was dem Sender nicht nur in Prüfungen und in der Begegnung mit Psychologen einige Besorgnis verursachen kann.
Während der Sender also mit dem Selbstkundgabe-Schnabel, implizit oder explizit, Informationen über sich preis gibt, nimmt der Empfänger diese mit dem Selbstkundgabe-Ohr auf: Was sagt mir das über den Anderen? Was ist der für einer? Wie ist er gestimmt? etc...

Die Beziehungsseite. Ob ich will oder nicht: Wenn ich jemanden anspreche, gebe ich (durch Formulierung, Tonfall, Begleitmimik) auch zu erkennen, wie ich zum Anderen stehe und was ich von ihm halte — jedenfalls bezogen auf den aktuellen Gesprächsgegenstand. In jeder Äußerung steckt somit auch ein Beziehungshinweis, für welchen der Empfänger oft ein besonders sensibles (über)empfindliches Beziehungs-Ohr besitzt. Aufgrund dieses Ohres wird entschieden: "Wie fühle ich mich behandelt durch die Art, in der der andere mit mir spricht? Was hält der andere von mir und wie steht er zu mir?"

Appellseite: Wenn jemand das Wort ergreift und es an jemanden richtet, will er in der Regel auch etwas bewirken, Einfluss nehmen; den anderen nicht nur erreichen sondern auch etwas bei ihm erreichen. Offen oder verdeckt geht es auf dieser Ebene um Wünsche, Appelle, Ratschläge, Handlungsanweisungen, Effekte etc. Das Appell-Ohr ist folglich besonders empfangsbereit für die Frage: Was soll ich jetzt machen, denken oder fühlen? 

Hat jemand eine internale Referenz, so hört er entweder die Sachaussage oder die Selbstkundgabe, während der external Orientierte den Appell oder die Beziehungsaussage hört. Mit anderen Worten: eine hervorragende Möglichkeit Missverständnisse zu erzeugen! Denn meist sprechen Menschen andere auf der Seite der Nachricht an, die sie selbst bevorzugen. Ihr Gegenüber hört aber eventuell eine andere Seite der Nachricht. Gute Kommunikatoren machen häufig Metakommentare, indem sie beispielsweise sagen: "Ich möchte hier einfach nur den Sachverhalt erwähnen, ohne daraus jetzt Aufforderungen zur Aktion oder Sonstiges abzuleiten." Das macht in jedem Fall deutlicher, wie sie die Nachricht verstanden wissen wollen.

Woher ich das weiß?
Schulz von Thun: Miteinander reden 1, Störungen und Klärungen. 1981.
Schulz von Thun: Miteinander reden 2, Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. 1989. S. 19-27
Schulz von Thun/Ruppel/Stratmann: Miteinander reden für Führungskräfte. 2000. S. 33-41
H. Arne Maus: Herausforderung Motivation. 2009. S. 115-117

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